Mein Kind wir waren Kinder

Text: Heinrich Heine, Interpreten: Zupfgeigenhansel

Mein Kind, wir waren Kinder,
Zwei Kinder, klein und froh;
Wir krochen ins Hühnerhäuschen,
Versteckten uns unter das Stroh.

Wir krähten wie die Hähne,
Und kamen Leute vorbei –
„Kikereküh!“ sie glaubten,
Es wäre Hahnengeschrei.

Die Kisten auf unserem Hofe,
Die tapezierten wir aus,
Und wohnten drin beisammen,
Und machten ein vornehmes Haus.

Des Nachbars alte Katze
Kam öfters zum Besuch;
Wir machten ihr Bückling‘ und Knickse
Und Komplimente genug.

Wir haben nach ihrem Befinden
Besorglich und freundlich gefragt;
Wir haben seitdem dasselbe
Mancher alten Katze gesagt.

Wir saßen auch oft und sprachen
Vernünftig, wie alte Leut‘,
Und klagten, wie alles besser
Gewesen zu unserer Zeit;

Wie Lieb‘ und Treu‘ und Glauben
Verschwunden aus der Welt,
Und wie so teuer der Kaffee,
Und wie so rar das Geld! —

Vorbei sind die Kinderspiele,
Und alles rollt vorbei –
Das Geld und die Welt und die Zeiten,
Und Glauben und Lieb‘ und Treu‘.

Herbststimmung

Bild von ELG21 auf Pixabay

Wenn die Sonne nicht mehr scheinen will,
steht der Antrieb unsres Handelns still.

Die Natur zieht auf mit Wolkentürmen,
Regen wird das trockne Land erstürmen.

Wo der forsche Wind durch die Alleen weht,
werden grüne Wipfel wie im Tanz bewegt,

und der Herbst singt seine bunte Melodie,
„Abschied“, klingt im Blätterrauschen, irgendwie,

tragen das vergang‘ne Jahr im Blattgewand,
wenn sich Morgendunst im ersten Nebel band.

Frühlingshaft sind junge Menschenleben,
ganz von ungestümer Lebenslust umgeben,

doch bereits im blumenvollen Lenze,
bindet man des Herbstes letzte Kränze.

Wenn bei wilden Stürmen, nassem Wetter,
lichten sich die Zweige, fallen Blätter;

muss bei jedem müden Niedersenken,
an das Sterben von Natur und Menschen denken.

August

von Erich Kästner
Peder Mørk Mønsted, (1859-1941)

Nun hebt das Jahr die Sense hoch
und mäht die Sommertage wie ein Bauer.
Wer sät, muss mähen.
Und wer mäht, muss säen.
Nichts bleibt, mein Herz. Und alles ist von Dauer.

Stockrosen stehen hinterm Zaun
in ihren alten, brüchigseidnen Trachten.
Die Sonnenblumen, üppig, blond und braun,
mit Schleiern vorm Gesicht, schaun aus wie Frau’n,
die eine Reise in die Hauptstadt machten.

Wann reisten sie? Bei Tage kaum.
Stets leuchteten sie golden am Stakete.
Wann reisten sie? Vielleicht im Traum?
Nachts, als der Duft vom Lindenbaum
an ihnen abschiedssüß vorüberwehte?

In Büchern liest man groß und breit,
selbst das Unendliche sei nicht unendlich.
Man dreht und wendet Raum und Zeit.
Man ist gescheiter als gescheit, –
das Unverständliche bleibt unverständlich.

Ein Erntewagen schwankt durchs Feld.
Im Garten riecht’s nach Minze und Kamille.
Man sieht die Hitze. Und man hört die Stille.
Wie klein ist heut die ganze Welt!
Wie groß und grenzenlos ist die Idylle …

Nichts bleibt, mein Herz. Bald sagt der Tag Gutnacht.
Sternschnuppen fallen dann, silbern und sacht,
ins Irgendwo, wie Tränen ohne Trauer.
Dann wünsche Deinen Wunsch, doch gib gut acht!
Nichts bleibt, mein Herz. Und alles ist von Dauer.

Erich Kästner (1899-1974)

Neuer Tag

Bild von Quang Nguyen vinh auf Pixabay

Zog aus, das Kleid aus Traumgespinst,
Vergangenheit lag zugedeckt mit Nacht.
Es wich die Dunkelheit, ein Tag beginnt,
der neue, lichte Horizonte schafft.

Der Sonnenglanz entstieg dem Horizont,
zerriss das wolkenschwere Firmament,
so hat der Geist, der in den Himmeln wohnt,
die Schatten dunkler Stunden abgetrennt.

Ein Schein des Glücks fällt durch das Fenster,
erhebt die Brust zu neuem Aufwärtsstreben,
vertreibt Vergangenheitsgespenster,
erweckt in Geist und Körper neues Leben.

Der Regen trübt die Helligkeit der Stunden,
sanft gleiten Tropfen auf die dürre Erde,
die Sommerzeit scheint bald verschwunden,
der Herbst empfing schon ihr: „Es werde!“

Brücken schmieden

Taten der Liebe verschenken, waffenlos siegen,
wirken mit gütigen Händen, lösen von Kriegen.

Der Begrenztheit der Welt im Wandel begegnen,
geistige Dürre vertreiben, mit Wissen beregnen.

Gottes Wirken in allen Handlungen sehen,
das Leid des anderen Menschen verstehen;

Vertrauen aufbauen und Brücken schmieden,
über Unwegsamkeiten den Himmelsfrieden.

Mit offenen Armen zum Flüchtenden eilen,
ihm ein Haus auf Gottes Erdboden teilen.

Schranken heben, um Fremdheit tiefer zu binden,
den gemeinsamen Pfad zur Seligkeit finden.

Tatenvoll mächtig wirken und denken,
anderen Menschen Vertrauen schenken;

Sternenstaub hier auf Erden verbreiten,
in seliger Allheit die Freiheit beschreiten.

Auf dieser Welt

John Frederick Lewis (1805-1876)

Auf dieser Welt ist vieles im Argen,
mich schmettert nieder, was gerade geschieht.
Ich kann nicht schweigen, es liegt mir im Magen,
wenn die wunde Menschheit vor Schlächtern flieht.

Es entsetzt mich zutiefst, was Regierungen tun…
oder nicht tun, nur ihre Hände aufhalten.
Ein Taschen füllender, fragwürdiger Ruhm,
der Anzug tragenden Politikgestalten.

Der politische Islam flaniert durch die Straßen,
schwer bewaffnet mit westlichen Gewehren,
die Herren der Macht, die das Leben hassen,
wollen anders Denkende mit Scharia belehren.

Sie schämen sich, von Frauen geboren zu sein,
die gänzlich verhüllt sich durchs Stadtbild quälen,
verschleierter Besitz im orientalischen Schein,
Frauen sind unsichtbar, dürfen nicht wählen.

Eine Frau brachte die Sünde in die Welt???
Sicher, sie gebar diese männlichen Exemplare,
die heute noch prahlen, wie’s gerade gefällt,
die Besten im Schlimmsten zu sein,
Gott bewahre!!!

Vertraut

Adrian Ludwig Richter (1803-1884)

Wie liegt die Welt so frisch und tauig
vor mir im Morgensonnenschein.
Entzückt vom hohen Hügel schau ich
ins traute grüne Tal hinein.

Mit allen Kreaturen bin ich
in schönster Seelenharmonie.
Wir sind verwandt, ich fühl es innig,
und eben darum lieb ich sie.

Und wird auch mal der Himmel grauer;
wer voll Vertrau‘n die Welt besieht,
den freut es, wenn ein Regenschauer
mit Sturm und Blitz vorüberzieht.

Wilhelm Busch (1832-1908)

Warum ?

Patrick Seidel (1981-2019)

Wenn abends nach getanen Dingen,
im Zimmer ich alleine steh,
wenn selbst mein Gott geneigtes Ringen
nicht trösten kann mein tiefes Weh;

Wenn abends deckt das Weltgetümmel
ein tiefer Friede ringsumher,
send ich den Blick zum Abendhimmel
und frage still: „Warum denn er?“

Ein wehes, unstillbares Sehnen
hat meine Seele ganz erfüllt,
ich schau sein Foto unter Tränen,
doch es ist leider nur ein Bild.

Ich seh, es spricht aus seinen Zügen
dieselbe Frage, schmerzlich stumm.
Mein Herz wird still, es lernt sich fügen,
Gott will es so. – Er weiß warum! –

Sonntagmorgen

Carl Spitzweg (1808-1885) – Sonntagmorgen

Kühle ist ins Zimmer geschlichen,
stahl mit kalten Fingern die Wärme.
Wie ein Geist ist die warme Luft entwichen,
draußen blinken die letzten Sterne.

Am Himmel ziehen Wolken im Wind,
die Krähen beschreien den Morgen,
die Welt schläft noch, wie ein seliges Kind,
befreit von Kummer und Sorgen.

Das Atemholen ist tief und bedacht,
bringt meine Seele zum Schwingen,
ein Abschied dem Dunkeln, ein Gruß an den Tag,
so soll der Sonntag beginnen.

Ich wünsche allen einen schönen Sonntag !

Heimatland

Auszeit am See – Ulla Genzel, Kevelaer (1960 -)

Ein Lauschen in die Stille hinein,
letztes Vogelsingen am Feldesrand.
Kein Motorenlärm zwischen Häuserreihen,
in Natur bettet sich das weite Land.

Wege verlaufen durch Feld und Flur,
eine Bank bietet Ruhe und Rast,
der Sonnenglanz sprüht eine Abendspur
auf Blätter, gemildert im Glast.

Mit Sternenaugen schaut vom Abendhimmel
der tröstende Gott herab,
fern von Sorgen und Weltgetümmel,
ruht in Frieden der Wanderstab.

Muttersprache, Heimatglück!,
zwischen Bäumen und leichten Winden,
längst entschwunden meinem Blick,
jedes Erinnern ein Wiederfinden.