Amsel, wirst du wieder singen
und dein Lied gen Himmel richten;
wird dein Sang nach Heimat klingen,
morgens, abends, sich verdichten?
Hoffnung dringt in trübe Seelen -
lichterhellt im Schwall der Klänge,
und aus unscheinbaren Kehlen
fließen deine Lobgesänge.
Schwarzer Vogel, deine Schwingen
bringen dich zum höchsten Ast;
lass dein Liebeslied erklingen,
das der Menschen Herz erfasst.
Schlagwort: Gisela Seidel
Heiliger Geist

Geist - Triebfeder der Existenz,
zeitlos, unendlich,
formt jede Manifestation des Lebens.
Schöpfer der Welten,
dem Individuum angepasstes Sein,
inkarniert in die menschliche Gestalt,
in Seelen, ohne Anfang und Ende,
zur ständigen Evolution.
Essenz des Großen Geistes,
dem ICH BIN,
der war vor den Menschen,
der nicht Erschaffene –
der immer sein wird,
von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Aschermittwoch

Die Maske fiel. Alles vorbei! Entblößt das wahre ICH im Spiegelbild. Das Ende einer bloßen Gaukelei. Es zeigt ein trauriges Gesicht, ganz unverhüllt. Du spielst die Rolle deines Lebens, mit oder ohne Kreuz auf deiner Stirn. Nur ein paar Tage suchtest du vergebens in einem andern ICH dich zu verlier’n. Doch du erwachst, nach Alkoholgenuss erkennst zu spät das Übel deines Tuns. Gefangener im Kerker deines Frusts, wünscht du dir Asche auf dein Haupt und kannst nicht ruhn.
Erneuerung

Frühlingshaft, von allen Jahreszeiten
neu, in die Verwandlung gleiten,
wie im Tanz der Zauberenergien,
sind des Lebens schwingende Atome,
wandeln sich im Wachstumsstrome,
sind dem Jahr von der Natur geliehen.
Richten auf gen Himmel, die Gesichter,
mit des Schöpfers Kraft an Sonnentagen;
kurz entzünden sich des Daseins Lichter,
um den Kampf Erneuerung zu wagen.
Freier Fall

Offene Arme, Händereichen,
gab’s in der Vergangenheit;
Menschen mit verschränkten Armen
sind dem Nächsten abgeneigt.
Schaut hin: Die sich stolz genügen
und mit wortreichen Toxinen,
herzenskaltem Machtgehabe,
liebesleer dem Abgrund dienen!
Werden sie sich selbst erkennen,
Seeleneinsamkeit und Trauer?
Sie zerfallen mit der Welt -
fremd und fern stehn sie auf Dauer.
Um sich scharen sie die Vielen -
Mittelmäßigkeit die Schiene;
Arroganz und Selbstvergnügen,
trotzig, feindlich ihre Miene.
Selbstgefällig ihr Begreifen:
Dummheit steht für Nächstenliebe.
Federn muss der andere lassen -
Bittsteller sind nichts als Diebe.
Frei von gottgesetzten Schranken,
die Genie und Wahnsinn binden,
wird sich „Höhenflug“ und Fall
auf dem Boden wiederfinden.
Untote

Vom Volk berufen, mit Blindheit erdacht -
Tote, die nie wirklich schliefen.
Wer hat neues Leben in ihnen entfacht?
Menschen, die nach ihnen riefen!
Sie treiben umher, als entgottete Macht,
die Alpträume unserer Tage.
Sie wandeln nicht nur nach Mitternacht
durch die Länder als weltweite Plage.
Der Abgrund geöffnet, Himmel gestürzt,
des Glaubens Höhen gebrochen;
mit Einfalt paniert, ungenießbar gewürzt,
hat es nach Verwesung gerochen.
Rettende Ufer scheinen so weit. -
Schwimmt gegen den Strom! Nicht versagen!
Kraft des Geistes in totkranker Zeit
wird uns zum Festland tragen.
Illusionen

Der Lichterglanz erwacht in Stadt und Land;
versunken war im Nebelmeer der Nacht,
das, was gewählt von Menschenhand,
im Schlaf sich dunkel, schwerelos befand.
Ich seh die Häuserzeilen, Dach für Dach -
sie reihen sich, wie Bienen Waben bauen,
und unter jedem findet man ein „Ach“,
das ohne Liebe ist und Selbstvertrauen.
Bewusst verirrt, durch viele Illusionen;
weil Ziele hier auf Erden unerreichbar sind,
wird die Erkenntnis in den Köpfen wohnen,
dass man im Leben nur auf dem Papier gewinnt.
Nun wählet recht!

Hört, wie sie lügen und die Welt betrügen,
und wie sie Wahrheiten im Mund verdrehen!
Gestikulierend werden sie im Schwall der Lügen
und in der Flut der lauten Worte untergehn.
Ob sie bewusst Ursache mit Wirkung tauschen
und „müssen“ sagen, wenn sie „wollen“ meinen;
ein Nichts gedankenträchtig aufzubauschen,
um da zu stehn, als gäb es nur ‚den Einen‘?
Erniedrigend, an Wehrlosen sich hochzuhieven! -
Wir wählen selber, was wir Zufall nennen.
Vielleicht sind es die Teufel, die wir riefen?!
Ist Blindheit leichter als das Selbsterkennen?
Ehrgeiz und Wahn

Wie wunderschön der Erde Glanz! -
Die Buntheit ihrer Farben,
als wär’s der Schöpfung Freudentanz,
der Reigen ihrer Gaben.
Allmorgendlich erwacht die Welt
im fernen Sonnenglühen,
und jeder Winkel wird erhellt,
lässt die Natur erblühen.
Besessner Ehrgeiz ist ein Wahn,
will ungehemmt zerstören;
der Mensch greift unseren Erdball an,
will Göttern angehören.
Unsterblichkeit bleibt ihm versagt,
mit sich zieht er die Massen.
Aufs Glatteis hat er sich gewagt,
wird nicht das Lügen lassen.
Man beutet aus – der Menschen Not
missachtend hingenommen.
Reichtum und Macht zerstörn das Brot,
das wir von Gott bekommen.
Bald wird der ‚Siebte Tag‘ zur Nacht,
erloschenes Schöpfungswesen.
Wird dann die Welt in alter Pracht
am ‚Achten Tag‘ genesen?*
*Lt. Jüdischer Überlieferung ist der 8. Tag nach der 7-Tage-Schöpfung prinzipiell der Tag der Auferstehung als Neuschöpfung.
Assimilation
= Angleichung eines Einzelnen oder einer Gruppe an die Eigenart einer anderen Gruppe, eines anderen Volkes

Man denkt, dass die Entwicklung der Menschheit langsam vorwärtsschreitet. Jedoch scheint es den Menschen auch heute noch nicht zu gelingen, aus ihrem „Steinzeit-Verhalten“ herauszukommen.
Wer meint, der in die Welt gesetzte Antisemitismus würde vor allem durch die bildungsferne Schicht verbreitet, liegt falsch. Der unterschwellige Judenhass der Bevölkerung, wurde durch teils offenen Antisemitismus vieler Studentenverbindungen befeuert, zu dem die Kirchen das nötige ‚Brennmaterial‘ lieferten. Kirchgänger wurden manipuliert: „Juden sind böse. Sie haben unseren Jesus ans Kreuz geschlagen.“
Nicht nur die katholische Kirche hat dies der ungebildeten Gesellschaft vermittelt, auch die evangelische Kirche und Martin Luther hat durch seine negativen Äußerungen „…das Judentum sei eine von Gott verdammte Religion, weil sie Jesus von Nazareth nicht als den Messias anerkennen“, dazu beigetragen. Das Relief „Judensau“ an der Stadtkirche in Wittenberg, das um 1200 entstanden ist, sollte Juden ausgrenzen, verhöhnen und demütigen. Noch immer ist es dort als historisches Denk-mal zu sehen.
In seinem Lustspiel „Die Juden“ hatte Gotthold Ephraim Lessing diese positiv dargestellt. Aber die Stimmen der Kritiker verstummten nicht, die da behaupteten, einen anständigen und edlen Juden gäbe es gar nicht.
Die seit Generationen hier lebenden Juden warteten vor ca. 200 Jahren zunächst auf die Einbürgerung, wonach sie sich trotz aller antisemitischen Anfeindungen zur Einheit von Deutschsein und Judesein bekannten. Sie waren stolz darauf, Deutscher und Jude zu sein.
Nach Erhalt der Bürgerrechte hatten sie darauf gehofft, dass es viele Generationen später vielleicht keinem einzigen Menschen mehr einfallen wird, zu bezweifeln, dass sie Deutsche sind.
Sie haben ihre religiöse Kultur mit Würde getragen und sich selbst als Deutsche gefühlt und wollten als Deutsche wirken. Doch Ressentiments zwischen Juden und Christen erschwerten den Alltag, obwohl jüdisch erzogene Männer im 1. Weltkrieg für Deutschland gefallen sind.
So ist es heute noch in Deutschland. Auch heute warten die ausländischen Mitbürger auf Einbürgerung und Arbeitserlaubnis. Wird es die erhoffte Zugehörigkeit nur auf dem Papier geben?
Menschen sind wie Tiere, die ihr Revier verteidigen wollen, wenn es darum geht, andere Kulturen, Hautfarben und Religionen zu akzeptieren.
Solch ein Verhalten geht immer erst von Erwachsenen aus, die sich durch bösartige Lügen in das positive Denken der Kinder einmischen. Meine Eltern hatten mir beispielsweise verboten, mit einem italienischen Mädchen zu spielen, weil ein deutsches Kind nicht mit einem ausländischen spielt.
Jüdische, muslimische und christliche Erwachsene würden in einträchtiger Weise miteinander verkehren, wenn sie dies bereits als Kinder getan hätten. Für Kinder ist es natürlich, die gegebenen Verhältnisse anzunehmen; ihnen ist alles neu, und wenn anders, dadurch spannend. Sie würden von selber nie auf den Gedanken kommen, dass man gegen Menschen von anderer Haut- und Haarfarbe oder anderer Nasenbildung auch ein anderes Verhalten zeigen müsse.
Ich finde es schlimm, wenn Menschen auf die Bezeichnungen „Jude“, „Migranten“ oder „Ausländer“ reduziert und deshalb ausgegrenzt werden. Fremdartige Speisen, andere Feiertage, andere Gotteshäuser, ja selbst auch andere Sprachen – haben wir uns daran noch nicht gewöhnt!? Deutsche reisen durch die ganze Welt und lieben ‚ausländisches‘ Essen. Nur, wenn zu viel Fremdes die Heimat ‚verfärbt‘, schließen sie schnell die Türe.
Es wird Zeit einander schätzen zu lernen und nicht mit Demütigung auf andere herabzublicken. Es ist wie beim Bruchrechnen: Es gibt immer einen gemeinsamen Nenner!