Im Himmel

Patrick Seidel (1981-2019) Foto: Gisela Seidel
Ich wünsch dir den trauten Engel
für deinen Weg und dein Ruhen,
in einem Bett in den Wolken,
in dem Himmel, wo’s Selige tun.

Gehüllt in Wünsche und Träume,
die Erfüllung verheißen im Glück;
von dem, was dir fehlte im Leben,
ein von Sonne beschienenes Stück.

Ein Ort, wo dich sanftes Streicheln,
wie ein Windhauch, zärtlich umströmt;
an dem wie ein Blätterrauschen,
deiner Seele ein Liedchen ertönt.

Es singt von dem ewigen Werden
deines Geistes, der niemals geboren,
wird wiedererwachen auf Erden,
wenn der Große Geist dich erkoren. 

Des Weges Stück

Patrick Seidel (1981-2019)
Vorangegangen, bist du, ins unbekannte Land.
Ich hör‘ es noch, dein spaßig Lachen,
das unbekümmert dich mit mir verband.

Du trugst Gelassenheit, wie eine Rüstung,
sie schützte dich in dieser Welt.
Wo Ordnung herrscht, in deutscher Listung,
blieb dir der Weg durch Anderssein versperrt.  

Du wusstest nicht, dass du gesegnet bist,
wenn die Gesellschaft es auch anders sah,
dass jeder Lebensweg voll Zauber ist,
und deines Werdens Weg ganz wunderbar.

In dieser weißen Welt hast du gelitten,
warst ausgegrenzt, dem Flüchtling gleich. 
Konnte es fühlen; bist dem Mob entglitten,
dein guter Geist hat dich davon befreit.

Im Vonmirgehn nahmst du mein Lieben mit,
als du zu früh durch’s Tor des Todes schrittst.
Was hier ein Sterben, war des Weges Stück,
dich heimbereitend einzuziehen, Gottes Blick. 

Neuerscheinung

Leseprobe

Wahrlich, eine Sisyphusarbeit!
Immerhin ist es mir gelungen, sie fertigzustellen.
Endlich alle Gedichte in einem Buch.

Das Buch ist so, wie ich es mir gewünscht habe. Das Cover wirkt etwas altertümlich, was durchaus so gewollt ist und passend. Als Hardcover mit 393 Seiten, ist es innen und außen ansprechend. Ich bin zufrieden und hoffe, die Leser werden es ebenfalls sein.

Erhältlich bei mir oder beim Verlag.

2. Jahresgedenken

Patrick Seidel
18.11.1981 – 29.10.2019
Patricks Tattoo

Steh nicht an meinem Grab und weine.
Ich bin längst nicht mehr dort
und ich schlafe auch nicht.
Ich bin in den tausend wehenden Winden.
Ich bin der Diamant,
der im Schnee glitzert.
Ich bin das Sonnenlicht über dem reifen Korn.
Ich bin der sanfte Herbstregen.
Wenn Du in der morgendlichen Stille erwachst,
bin ich der Vogel,
der sich schnell in die Lüfte erhebt und singt.
Ich bin der Stern,
der in der Nacht leuchtet.
Steh nicht an meinem Grab und weine.
Ich bin nicht dort.
Ich bin nicht tot.

(Gebet der Hopi Indianer)

Bei seinem Lieblingsessen „Plaaten in de Pann“ und Rote Beete Salat

Warum ?

Patrick Seidel (1981-2019)

Wenn abends nach getanen Dingen,
im Zimmer ich alleine steh,
wenn selbst mein Gott geneigtes Ringen
nicht trösten kann mein tiefes Weh;

Wenn abends deckt das Weltgetümmel
ein tiefer Friede ringsumher,
send ich den Blick zum Abendhimmel
und frage still: „Warum denn er?“

Ein wehes, unstillbares Sehnen
hat meine Seele ganz erfüllt,
ich schau sein Foto unter Tränen,
doch es ist leider nur ein Bild.

Ich seh, es spricht aus seinen Zügen
dieselbe Frage, schmerzlich stumm.
Mein Herz wird still, es lernt sich fügen,
Gott will es so. – Er weiß warum! –

Ostpreußen

zur Erinnerung an meine Oma

Östlicher Geist lässt mich nicht ruhn,
verwurzelt tief in mir, erfüllt mein Herz,
und als entfernte sich von dort mein Tun,
trieb all’ mein Denken dennoch heimatwärts.

Konnte nicht lassen von den alten Plätzen,
rief doch die Heimat tief in meiner Brust.
Melancholie spricht hier aus diesen Sätzen,
und weckt in mir die alte Sinneslust.

Du fernes Land, vertraut war mir dein Duft,
in großer Weite bis zum Horizont der Blick,
herb war dein Klima, rau die Küstenluft,
gern denke ich an Königsberg zurück.

Wo dunkle Wälder sich in lichten Breiten
erstrecken bis zum Memelstrand,
wo Störche stolz durch weite Sümpfe schreiten,
dort treibt der kalte Wind durchs flache Land.

Du meines Wirkens Stätte, ach, so fern,
längst wächst das Gras über die alten Mauern,
wird die vergang’ne Zeit in meiner Seele Kern,
doch alle Ewigkeiten überdauern.

Helene Berta Nicolay, geb. Buskies (1895-1988)

Meinem Sohn

Mein Sohn auf meinem Arm im Dezember 1981


Wie gerne würd’ ich dich beschützen,
dich weiter tragen durch dein Leben,
doch würde es dir wirklich nützen,
könnt’ ich dir ständig Hilfe geben?

Du drehtest aufstieglos im Kreise,
weil du nicht wächst und nicht veränderst,
und deine wohl bequemen Gleise
nicht in die richt’ge Richtung wendest.

Kein Ehrgeiz drängt dich, keine Kraft,
die dir die Stärke gibt zum Handeln;
doch nur dein eigner Wille schafft
den Aufstieg, wird dein Schicksal wandeln.

Ich wünsch’ dir Glück und Gottes Segen,
für alle Schritte, die du gehst.
Fang’ endlich an zu überlegen,
wie du dein eig’nes Leben lebst!

Dieses Gedicht habe ich geschrieben, als mein Sohn ca. 20 Jahre alt war.
Er entzog sich gerne der deutschen Ordnung. Das war nicht sein Naturell. In einer Welt des ständigen Drucks wollte und konnte er nicht leben. Er war hochsensibel, nahm immer Rücksicht auf andere, und als er Ende 2019 mit
37 Jahren starb, ging er auf ‚seine‘ Ebene zurück.

Als ich Ende des letzten Jahres im Krankenhaus war, träumte ich von ihm
und dieser Ebene zum Jahreswechsel. Ich hatte noch nie einen Traum, in dem
alles eine schwarze Färbung hatte. Jede Straße, jedes Haus, ja sogar der Himmel
waren schwarz. Ich kam an ein großes, offenes Tor. Dahinter existierte mein Sohn.

Er trug schwarzes Leder als Mantel, Hose und Hemd. Um ihn herum waren große Blütengesichter, ebenfalls schwarz, die sich öffneten und dann wieder
verschwanden. Es gab dort viele Tiere. Mein Sohn war allen bekannt und
guter Dinge. Ich sah, wie er mit einem schwarzen Panther spielte. Den hatte
er sich zu Lebzeiten immer gewünscht.

Dann erschien eine Art Spielbrett. Darauf sah ich zum ersten Mal in diesem Traum eine farbige Position, als kleine Filmeinlage: Eine Frau, die damit beschäftigt war, Ordnung in ihren Unterlagen zu schaffen. War ich diese Frau? Plötzlich zerplatzte das Bild und mir wurde bewusst, dass Ordnung eine Lernaufgabe für meinen Sohn gewesen ist.

Auf seiner Ebene brauchte er das nicht mehr. Alles war für ihn gut.
Dann verabschiedete er sich von mir, und wir standen noch lange am Tor und
umarmten uns. Es gab einen Abschiedskuss, und ich ging den schwarzen Weg
entlang, zurück in meine Welt, wo ich erwachte.

Dieser Traum hat mir sehr gut getan, weil ich weiß, dass es meinem Sohn an
nichts fehlt. Meine Liebe hat er gewiss!

Hartes Landleben

Hans Andersen Brendekilde (1857-1942)

Wintermüde war die Landschaft
und die Lager leer gegessen. –
Karge Äcker! Stark und standhaft
waren die Alteingesess’nen.

Heimatlich ruht Dorf und Scholle.
Erde, die uns reich gemacht!
So auch ruhte manche Knolle,
in der Nebelfelder Pracht.

Sturmes Zeiten kamen wieder,
fegten durch den Wolkenpfad,
machten müd geword’ne Glieder
alter Bauersleute schwach.

Und des Frostes letztes Mühen
trieb mit tödlich kaltem Herz,
hinderte des Lenzes Blühen,
und das Volk schrie himmelwärts.

Doch aus gnadenlosen Himmeln
regnete es glücksverloren.
Sonne ließ die Hoffnung schimmern,
als ein neuer Tag geboren.

Und die vielen Hoffnungsfrohen
weinten unter ihren Bäumen.
Heimaterde, trink die Tränen,
lass die Frühlingssterne träumen!